Unternehmensstrafrecht & Organhaftung
Das deutsche Strafrecht unterliegt dem Schuldprinzip und bezieht sich immer auf das schuldhafte Fehlverhalten von Einzelpersonen. Die juristische Person ist selbst nicht handlungs- und auch nicht schuldfähig. Ein Unternehmensstrafrecht im engeren Sinne existiert daher noch nicht, wird in der rechtspolitischen Diskussion aber zunehmend gefordert (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft der Bundesregierung vom 16.06.2020).
Dennoch erlaubt auch die aktuelle Gesetzeslage eine scharfe Sanktionierung juristischer Personen immer dann, wenn die juristische Person sich ein schuldhaftes Fehlverhalten ihrer Führungskräfte zurechnen lassen muss. Zu dem Kreis der Führungskräfte zählen dabei nicht nur vertretungsberechtigte Leitungsorgane wie die Vorstände, Geschäftsführer oder Prokuristen, sondern auch bereits leitende Angestellte (Manager). Für die Sanktionierung der juristischen Person müssen sich diese Führungskräfte auch nicht selbst strafbar gemacht haben. Ausreichend ist es vielmehr, dass diese ihrer gebotenen Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sind und eine unzureichende Organisationsstruktur im Unternehmen anzunehmen ist. Dabei spricht bereits praktisch der erste Anschein für die Annahme einer Aufsichtspflichtverletzung, wenn es im Unternehmen zu strafbarem Verhalten gekommen ist, sei es weil ein Mitarbeiter z.B. einen Kunden bestochen hat oder sei es weil es im Unternehmen zu einem Betriebsunfall gekommen ist. Dabei kommt es für die Sanktionierung der juristischen Person noch nicht einmal darauf an, dass gegen eine konkrete Führungsperson ein individueller Schuldvorwurf nachgewiesen wurde. Das Gesetz ermöglicht eine selbständige Sanktionierung der juristischen Person auch dann, wenn ein Straf- oder Bußgeldverfahren gegen die Führungspersonen nicht eingeleitet oder später wieder eingestellt wurde (§ 30 Abs. 4 OWiG).
Die klassische Sanktionierung gegen die juristische Person beläuft sich auf eine Geldbuße von bis zu 10 Mio EUR (§ 30 Abs. 2 OWiG). Vor diesem Hintergrund wird das Unternehmensstrafrecht derzeit mit der Bezeichnung als Verbandsgeldbuße gleichgesetzt. Da die Geldbuße einen etwaigen wirtschaftlichen Vorteil übersteigen soll und der Höhe nach sogar auch geschätzt werden darf, kann die festzusetzende Geldbuße den Betrag von 10 Mio Euro um ein Vielfaches übersteigen (§ 30 Abs. 3 iVm. § 17 Abs. 4 OWiG).